03. 06. 2003 Forstamt, Herr Klötzer
"Hallo Herr Ender,
ich bin vorhin von einer Exkursion über unsere schöne Insel Rügen heimgekommen und hab mir nun auf Grund mehrerer Hinweise Ihre Sorgenkind - Seiten angesehen.
Sie haben recht, es gibt Frevel und Fehler von Menschen und Behörden. Wir können uns hier viel unterhalten über einzelne Bäume, die hier und dort abgesägt werden. Manchmal berechtigt, ohne dass Ihnen der Grund offensichtlich wird, manchmal unberechtigt, als Frevel.
Es ist ja auch leicht, das Schlechte aufzuspießen, die positiven Beispiele fallen nicht so auf. z. B. der sofortige Einschlagstopp im Bergener Stadtwald bei Feststellung eines neuen Adlerhorstes - Verlust durch gefälltes aber nicht geliefertes Holz für das beauf-
tragte Unternehmen: mehrere Tausend Euro (zwei Arbeitsplätze der Insel hängen da dran). Aber
ich will hier nicht Gut und Böse gegeneinander wichten. Es gibt leider nicht Schwarz und Weiß, wie das so einfach in Ihren Darstellungen scheint, sondern immer mehrere Dinge die dort mit eine Rolle spielen.
Ich war über neun Jahre lang im Naturschutz im Nationalparkamt u. a. auch im National-
park Jasmund tätig, bevor ich im Juli 2001 die Leitung des Forstamtes übernommen habe. Auch dort hat man sich die Entscheidungen nicht leicht gemacht. Aber es gibt in dieser Gesellschaft an den Schnittstellen von Natur und Mensch, dort wo der Mensch dauernd lebt oder auch durch Ausschilderung (bzw. markierte und ausgebaute Wander- u. Rad-
wege) "hinkonzentriert" wird, leider die Verpflichtung drohende Gefahren zu beseitigen. Natürlich kann man das auch in 5 m Höhe versuchen. Wir haben das bereits einmal durch Sprengung in dieser Höhe versucht, aber es ist einfach eine Frage der Kosten und an Straßen auch eine der Sicherheit.
Ich habe im vergangenen Kalenderjahr für Verkehrssicherung 30 000 EURO im Forstamts-
bereich ausgeben müssen. Die Revierförster müssen zweimal im Jahr die markierten Wanderwege, Straßen und Stadtränder auf Gefahren kontrollieren und wir gehen da sehr vorsichtig zu Werke. So war die von Ihnen als gesund bezeichnete Buche in Lietzow bereits seit 2000 markiert und wurde immer bewußt stehen gelassen, weil sie so schön war. Aber ich habe sie dieses Jahr fällen lassen, weil das Risiko immer größer wurde. Wenn Sie sich den Stammfuß genau angeschaut hätten, hätten Sie die Spuren des Zunderschwammes im Holz gesehen und außen (etwa Brust- bis 2 m Höhe) eine ca. 1/2 m² große Fläche, die bereits nicht mehr gesund war (Trocknis und Fäule aufwies). An einer solch befahrenen Straße werde ich dieses Risiko eines solchen Baumes nicht weiterhin übernehmen. Ich habe es 1 1/2 Jahre getan, aber jetzt wurde mir das einfach zu riskant und ich kenne Bäume und habe solches Risiko oft, in zwei Fällen sogar vor Gericht, getragen. Aber aus meiner fachlichen Erfahrung und Sicht habe ich hier so entschieden. Das habe ich getan mit ruhigem Gewissen, weil ich und meine Förster in ihrer manchmal so geschaßten Holznutzungstätigkeit fernab der Wege mehrere solcher alten und ehrwürdigen Bäume stehen lassen, nicht um vor den anderen Menschen damit aufzuschneiden, sondern um so etwas der Natur zu erhalten.
Vielleicht einige Beispiele für Ihre positive Seite, die sich sicher in unserer sensations-
lüsternen Gesellschaft nur wenige Menschen anschauen. Und damit bin ich beim Anliegen meiner Mail, Ich würde mich gern einmal persönlich mit Ihnen unterhalten, über die Insel fahren, Beispiele zeigen, die aus meiner Sicht besser sind, über Fehler reden und viel-
leicht Ihnen auch das zeigen, was mir und meinen Mitarbeitern Sorge bereitet. Es geht nicht nur um den Einzelbaum; wir verlieren auf der Insel flächig Wald - schleichend ohne dass man als Behörde richtig fassen kann, weil bestimmte Dinge im Gesetz unzureichend berücksichtigt wurden oder politisch gewollt sind."

04. 06. 2003
Wir bedanken uns für Ihre Stellungnahme. Es bleibt leider offen, warum man - wenn dieser eine Baum nun wirklich gefällt werden musste (?) - man gleich noch drei, vier andere mit rodete. Es ist außerdem dringend notwendig, die Firmen, die derartige Fällaktionen durchführen, zur strikten Rücksichtnahme und zum vorsichtigen Umgang in der Natur zu verpflichten. Die abgesägten Stämme in die Anemonen zu werfen, zeugt von schonungslosem Umgang mit der Natur.
Was den Stadtwald von Bergen angeht, möchte ich grundsätzlich sagen, dass es wohl kaum eine Stadt gibt, die ihre "grüne Lunge" abholzt. Dass man sie retten konnte und musste, halten wir für selbstverständlich. Das der Grund zum Erhalt dieses Waldes ein Adlerhorst ist und nicht der Wald allein, ist im Grunde genommen traurig.